Autor | Friedhelm Römer, HSt |
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Brandstiftung in den Reihen der Feuerwehr gibt es äußerst selten. Dennoch richtet sie einen großen Schaden an: materiell und immateriell. Kriminal-Hauptkommissar Mario Rapp und Kreisbrandmeister Bernd Halter über Teamwork in sensiblen Fällen. Brandstiftung ist ein sensibles Thema. Vor allem wenn der Verursacher aus der Feuerwehr stammt und eine Vielzahl von Bränden legt, wie in Gundelsheim. Dort hatte ein 2021 verurteilter 32-Jähriger, Mitglied der Tiefenbacher Feuerwehr, von April 2019 bis November 2020, 15 Brände gelegt. Auch in zwei Fällen in Neckarsulm und Untergriesheim wurden Feuerwehrleute überführt. Wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Feuerwehr? Darüber haben wir mit Mario Rapp, dem Leiter des Arbeitsbereichs Kapitaldelikte im Polizeipräsidium Heilbronn und Kreisbrandmeister Bernd Halter gesprochen. Herr Rapp, wie häufig werden Feuerwehrleute zu Brandstiftern? Mario Rapp: Es gibt keine bundesweite Statistik, nur Erfahrungswerte. Wir sprechen hier allerdings vom Promillebereich. Vermutlich sind sie mit den Fallzahlen vergleichbar, mit „Todesengel“ in Kliniken, Pflegeheimen oder bei denen Polizeibeamte schwerwiegende Straftaten begehen. Bernd Halter: Laut dem deutschen Feuerwehrverband liegt diese Zahl etwa bei 0,003 Prozent − bei 1,3 Millionen Mitgliedern. Aber der Imageverlust ist groß und das Ereignis bleibt in den Köpfen hängen. Welche Muster lassen sich bei Serien-Brandstiftern erkennen? Rapp: In der Gesamtbevölkerung ist es die Affinität zum Feuer, Rache, psychische Erkrankungen, aber auch der klassische Versicherungsbetrug. Im Promillebereich der Feuerwehr-Brandstifter steht die soziale Anerkennung im Vordergrund. Bei jüngeren Feuerwehrleuten ging es auch mal darum, mehr Einsätze als andere zu haben. Die Feuerwehr hat nach den Delikten in Neckarsulm und Bad Friedrichshall reagiert und unterschiedliche Funkschleifen eingerichtet. Das heißt, dass die Jungen nicht mehr immer dabei sind. Auch das Gemeinschaftsgefühl bei Blaulichteinsätzen spielt eine Rolle. Bei Brandserien sind mir nur Fälle von Mitgliedern der freiwilligen Feuerwehren bekannt. Welche Rolle spielt die Prävention? Halter: Wir können natürlich keine Einstellungstests mit einem Psychogramm machen. Das sind Menschen aus der Mitte der Bevölkerung. Bei den Serien-Brandstiftern ist es der Drang nach Anerkennung und der vermeintliche Heldenstatus. Unser Ansatz: Held ist nicht der Blaulichtfahrer, sondern der, der sich allgemein ehrenamtlich engagiert. Rapp: Die Feuerwehr macht da eine großartige Arbeit. Es gibt keinen Generalverdacht gegen die Feuerwehr. Unser Vertrauensverhältnis und die sehr gute Zusammenarbeit zwischen Polizei und Feuerwehr ist die Basis für den Ermittlungserfolg. In Gundelsheim hat es aber eineinhalb Jahre gedauert, bis der Täter ermittelt war. Rapp: Es ist immer schwierig zu erkennen ob es sich bei Bränden um eine Serie handelt. Unsere Ermittlungen liefen von Mai 2020 mit dem Scheunenbrand im Himmelreich bis bis zur Festnahme im Oktober 2020. Davor hatte der Brandstifter Flächen- und Fahrzeugbrände verursacht. Mit der Übernahme der Ermittlungen durch die Kriminalpolizei haben wir auch die zurückliegenden Brände ab Januar 2019 genauer untersucht. Welche Rolle spielt der Zeitfaktor? Rapp: Eine große. Wenn man eine Serienbrandstiftung erkannt hat, ist das für die Polizei eine enorme Herausforderung. Bei Tötungsdelikten hat man oft einen Täter-Opfer-Bezug und daher Ermittlungsansätze. Bei Brandserien rennt man der Zeit hinterher. Das Feuer kann Spuren vernichten, die bei einem Tötungsdelikt noch vorhanden wären. Aber wir haben Möglichkeiten und Maßnahmen, diesen Faktor Zeit zu beeinflussen. Halter: Beim Faktor Zeit gibt es zwei Perspektiven. Das Problem ist, dass wir bei der Brandbekämpfung versuchen müssen, wenig Beweismaterial zu vernichten, andererseits müssen wir unsere Arbeit machen, Feuer löschen und Leben retten. Außerdem müssen wir die Voraussetzungen schaffen, dass das Gebäude so sicher ist, damit die Ermittlungsgruppe überhaupt hinein kann. Und die zweite Perspektive? Halter: Bei der Feuerwehr macht jeder Einsatz im Rahmen einer Brandserie etwas kaputt. Da jeder Kollege, der im Feuerwehrwagen sitzt, ein potenzieller Brandstifter sein könnte. Je schneller es einen Ermittlungserfolg gibt, desto geringer ist der Schaden für die Bevölkerung und für die Feuerwehr selbst. Wie muss sich ein Laie die Ermittlungsarbeiten vorstellen? Rapp: Jemand, der ein Feuer legt, muss sich im Klaren sein, dass er nie sicher sein kann, wie sich ein Feuer entwickelt. Wenn es zum Beispiel nachts auf ein Wohnhaus übergreift, sind wir schnell beim versuchten Mord. Ermittlungen bei einer Brandserie laufen wie in einer Sonderkommission ab. Viele Kollegen werden für den Bereich Ermittlungen zusammengezogen, und es besteht wie immer eine sehr gute Abstimmung mit der jeweiligen zuständigen Staatsanwaltschaft. Was bedeutet das konkret? Rapp: Die Kriminalpolizei muss sich den Gegebenheiten anpassen, egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit. Das ist extrem belastend. Allein bei der Brandserie in Gundelsheim erbrachten die eingesetzten Kollegen Überstunden im vierstelligen Bereich. Während einer Brandserie klingelt mein Telefon und das der Sachbearbeiter außerhalb der Arbeitszeiten drei- bis viermal so oft wie gewöhnlich. Beim ersten Kontakt mit dem Feuerwehrkommandanten geht es um Abstimmung und Koordination. Ruhezeiten gibt es dann nicht mehr und das Privatleben wird oftmals eingeschränkt. Im Fall Gundelsheim waren zeitweise rund 20 Ermittler zu den unterschiedlichsten Zeiten eingesetzt. Wie groß ist der Schaden für die Feuerwehr, der durch den Vertrauensverlust in der Kommune aufkommt? Halter: Die Bevölkerung weiß um den Wert der Feuerwehr für das Allgemeinwohl. Trotzdem ist der immaterielle Schaden immens, weil ein solches Ereignis in der Erinnerung bleibt und das Grundvertrauen in die Feuerwehr erschüttert wird. Wir können dem nur durch Aufklärung und unermüdliche Prävention entgegenwirken. Feuerwehr hilft der Polizei bei Brandermittlung von Serientätern Brandstiftung in den Reihen der Feuerwehr gibt es äußerst selten. Laut einer wissenschaftlichen Arbeit des früheren Kriminaltechnikers und Brandermittlers Frank-Dieter Stroh gab es in den vergangenen 60 Jahren bundesweit 3000 Brandstiftungen von Feuerwehrleuten bei 1,3 Millionen freiwilligen Mitgliedern. In der Region Heilbronn sind die drei Fälle von Neckarsulm, Bad Friedrichshall-Untergriesheim (beide 2010) und Gundelsheim (2019/20) bekannt. Dennoch richten sie einen großen Schaden an: materiell und immateriell. Dass in allen drei Fällen die Täter letztlich ermittelt und bestraft wurden, hat für Kriminal-Hauptkommissar Mario Rapp vom Polizeipräsidium Heilbronn einen wesentlichen Grund: „Unser Vertrauensverhältnis zwischen Polizei und Feuerwehr ist die Basis für den Ermittlungserfolg“, sagt er im Stimme-Interview, das wir gemeinsam mit ihm und dem Heilbronner Kreisbrandmeister Bernd Halter geführt haben. Darin geht es um das Zusammenspiel zwischen Polizei und Feuerwehr bei einer Brandserie. „Die Täter erweisen der Feuerwehr, die ohnehin mit einem Mitgliederschwund zu kämpfen hat, einen Bärendienst“, sagt Halter. Rapp hält Vorträge bei Feuerwehren im gesamten Präsidiumsbereich über Hohenlohe bis zum Main-Tauber-Kreis und will „die Jungen, die von der Jugend zu den Aktiven wechseln, sensibilisieren“. Halter wirke auf seine Feuerwehrleute durch Ausbildung und Führungsverhalten ein. Rapp bekräftigt, dass es keinen Generalverdacht gegenüber der Feuerwehr gibt. Vielmehr sei die Ermittlung der Brandverursacher nur mit Hilfe der Feuerwehr möglich. Für Halter ist klar: „Ein Brandstifter bei der Feuerwehr wird früher oder später überführt.“ |